Leben mit Long Covid

Ergotherapie: Energiemanagement und Pacing

Im Umgang mit Fatigue und Long Covid hört oder liest man immer wieder über Energiemanagement und Pacing.

 

Energiemanagement ist die Antwort auf Fatigue. Es ist eine wirksame Möglichkeit, die Auswirkungen der Fatigue zu reduzieren, das Risiko für extreme Erschöpfungsphasen oder sogenannte Crashs zu vermindern und dadurch mehr Lebensqualität zu erreichen, sowie eine Chronifizierung zu vermeiden.

Wenn du noch nicht genau verstehst, was Fatigue ist, lies am besten zuerst unseren Beitrag zur «Fatigue».

Was ist ein Crash?

Ein Crash in Zusammenhang mit Long Covid ist die Folge einer körperlichen, emotionalen oder kognitiven Überbelastung. Wer sich zu viel zumutet und nicht auf seine Grenzen achtet, den holen, manchmal auch ein bis zwei Tage später, seine Symptome ein. Diese Symptome unterscheiden sich je nach Betroffenen, können sich über die Zeit verändern und verschlechtern meistens den allgemeinen Zustand/Genesung.

Bei mir zeichnet sich ein Crash zum Beispiel durch Fieberschübe, Lungenbrennen, Schüttelfrost, im schlimmsten Fall Lähmungserscheinungen und starken Entzündungsschmerzen im ganzen Körper aus. Danach brauche ich meist mehrere Tage oder gar Wochen, um wieder an den Punkt vor dem Crash zu kommen.

Solche Crashs sollten möglichst vermieden werden, um einer Chronifizierung der Symptome entgegen zu wirken. Dies macht man mithilfe von Energiemanagement und Pacing.

Was bedeutet Energiemanagement?

Energiemanagement besteht aus zwei grundlegenden Aspekten:

  1. Energie sparen & regenerieren
  2. Energie einteilen & gezielt ausgeben

Wie kann ich Energie sparen?

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie man das Energiesparen umsetzen kann. Hier einige Ideen, die ich mit euch teilen möchte:

  • Vermeidung von Dehnung und Zug in Gelenken (weites Reichen und Strecken kostet extra Energie), lieber sich hinbewegen/hingehen

  • Grössere und stärkere Muskelgruppen einsetzen (Türe mit gesamtem Körper öffnen, in die Knie gehen/Knie beugen um etwas zu heben)

  • So oft wie möglich Tätigkeiten sitzend oder angelehnt erledigen (z.B. Schuhe anziehen, kochen)

  • Körpernahes Heben oder Tragen (Rucksack tragen statt einer Tasche)

  • Verschieben statt heben (z.B. Wäschekorb)

  • Oft benutzte Gegenstände in der Nähe lagern (z.B. Gewürze, Pfannen etc.)

  • Hilfsmittel wie Schuhlöffel, Duschstuhl oder Stuhl in Küche verwenden

  • Maschinen benutzen (z.B. Saugroboter)

Wie kann ich regenerieren?

Die Antwort darauf ist Pausenmanagement. Plane bei deiner Tagesplanung UNBEDINGT und fix immer Pausen mit ein! Du findest unter unserem Beitrag «Der Vagus Nerv» eine ausführliche Liste von Dingen, die sich gut für Pausen eignen. Probiere aus, was dir selbst am Besten liegt.

 

Wie kann ich Energie einteilen?

-> Energiekonto prüfen

Die Idee des eigenen Energiekontos ist, dass ich wie bei einem Bankkonto Ausgaben und Einzahlungen machen kann. Ich kontrolliere und agiere bewusst und vorausschauend, gebe Energie aus, wenn ich zum Beispiel arbeite, aber zahle wieder aufs Energiekonto ein, wenn ich mich ausruhe, und versuche so, den Kontostand im positiven Bereich zu halten. Der Energiekontostand ändert sich aufgrund der Fatigue täglich, weshalb ich jeden Morgen als erstes beim Aufwachen mein Energiekonto prüfe und mir bewusst werde, wie viel Energie HEUTE da ist. Das ist meine Voraussetzung für die «Planung» des gesamten Tages. Es geht also darum, den Energieverbrauch entsprechend dem Kontostand vorausschauend einzuteilen, das Konto bewusst zu kontrollieren, Ausgaben gekonnt zu planen sowie Einnahmen zu generieren.

 

WICHTIG: Es muss immer eine Energiereserve für Notfälle zurückbehalten werden!!!

 

Wie kann ich Energie gezielt ausgeben?

-> Energiegeber und Energiefresser mithilfe eines Energieprofils identifizieren

Um das Energiekonto erfolgreich verwalten zu können, muss ich wissen, was meine Ausgaben sprich Energiefresser, und was meine Einzahlungen sprich Energiegeber sind. Versuche den Anteil an Energiefressern tief zu halten. Das Führen eines Energieprofils kann helfen, diese im Alltag zu finden. Dabei notiert man sich täglich alle Tätigkeiten, Uhrzeit und Energielevel dazu. Wenn ihr das mehrere Tage führt, lassen sich sehr schnell Tätigkeiten identifizieren, die Energie fressen, und solche, die Energie geben.

 

Hier findest du ein Beispiel, wie so ein Energieprofil aussehen könnte.

Energieprofil

 

Anhand dieses Profils erkennt man deutlich, welche Tätigkeiten Energie fressen (duschen, Essen zubereiten, Haushalt). Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass es zwar Tätigkeiten gibt, die verpflichtend sind (z.B. Arbeit, Haushalt, Essen, usw.), jedoch dazwischen immer wieder Pausen zur Erholung eingeplant werden müssen, um die Energiereserven wieder aufzufüllen. Bei mir hat Schlafen diesen Dienst am Effektivsten erwiesen. Aber auch Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen sind da sehr hilfreich. Für eine Liste, schau dir unseren Beitrag «Der Vagus Nerv» an.

 

Wie will ich meine Energie einsetzen?

  • Smart/bewusst einteilen!

  • Prioritäten setzen!

  • Delegieren!

Denke dabei an den Fatigue Teufelskreis – verbrauche NICHT nur deine gesamte Energie für deine Pflichten, sondern plane bewusst auch Energie für Dinge ein, die du gerne machst!

 

Wichtig: Wirksam ist das Energiemanagement erst, wenn es regelmässig und langfristig durchgeführt, und dabei immer wieder am aktuellen Zustand angepasst wird!

Was ist Pacing?

Hör auf deinen Körper! Das ist die zentrale Botschaft des Pacings. Die Herausforderung liegt dabei darin, die optimale individuelle Balance zwischen Aktivierung (körperlich, kognitiv oder emotional) und Schonung zu finden. Das gelingt über genaues Beobachten, Ausprobieren, Reflektieren und Gelerntes umzusetzen. Löst eine Aktivität einen Crash aus, war es zu viel Intensität oder zu wenige Pausen, und muss in Zukunft angepasst werden. Verschlimmern sich die Symptome während einer Aktivität, ist das ein Alarmsignal des Körpers, und die Aktivität ist SOFORT zu unterbrechen! Alarmsignale sind individuell und unterschiedlich, weshalb es von Nutzen ist, ein Symptomtagebuch zu führen, um sich seinen eigenen Alarmsignalen bewusst zu werden. 

Einige Beispiele für Alarmsignale:

 

Verstärkung/Verschlimmerung oder plötzliches Auftreten von:

  • Zittern

  • Schwindel

  • Brain fog

  • Depressive Stimmung

  • Fieber

  • Atemnot

  • Herzrasen / hoher Puls

Solche Überforderungen des Systems führen zu einer kompletten Entladung unserer Energie und sollten bestmöglich verhindert werden, da diese den Heilungsverlauf verzögern. Das Akzeptieren und Durchsetzen der eigenen, neuen Grenzen ist eine grosse Herausforderung und braucht viel Disziplin und Willenskraft, ist aber essentiell für die Genesung!

 

Vielen Betroffenen hilft beim Überwachen ihrer Symptome eine Pulsuhr. Indem sie ihren Puls stetig im Auge behalten, lassen sich Crashs zu einem Grossteil verhindern. Dazu braucht es eine definierte Obergrenze (VAT), die nicht überschritten werden darf. Dazu wird entweder ein Belastungstest (Spiroergometrie) gemacht (da der VAT sehr individuell und von vielen Faktoren abhängig ist), oder ein Richtwert verwendet.

 

Auf dem Altea-Netzwerk ist eine Anleitung zu finden, um einen allgemein gültigen Richtwert zu berechnen, unter folgender Adresse: https://www.altea-network.com/media/fotn0dh5/altea_rg_fatigue_herzfreqmonitor_pdf_v1.pdf (Seite 4 des Skripts).

 

Wie immer kannst du dich bei Feedback, Fragen oder Anregungen an uns wenden, entweder unter den Kommentaren oder direkt mit Mail an uns: kontakt.lebenmitlongcovid@gmail.com.

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