Leben mit Long Covid
Parosmie – Ein Riechtraining kann Abhilfe schaffen
Wie du bereits in meinem Blogeintrag zu Hirntraining lesen konntest, dringt das Sars-COV-2 Virus über die Nase in unseren Riechgang ein. Dort kann er gehörigen Schaden anrichten, auch an unserem Riechkolben und den Rachenmandeln. Dann, wenn wir nämlich plötzlich nichts mehr riechen oder schmecken können.

Ich habe während meiner Coronaerkrankung im August meinen Geruchssinn für mehrere Wochen ganz verloren gehabt. Ich roch von einem Tag auf den anderen absolut gar nichts mehr, was für mich ein absolutes Desaster war, da ich eine sehr feine Nase und mich immer an Gerüchen orientiert hatte. Doch auf einmal stand ich morgens vor dem Spiegel, sprühte Deo ein und sah, wie der Duftdampf aufstieg, doch ich roch rein gar nichts. Völlig perplex nahm ich mein Parfüm und sprühte mir eine Prise davon ins Gesicht, doch auch da: absolut gar nichts. Diese Situation war so befremdlich und surreal, dass mir erst da auf einen Schlag klar wurde, dass ich Corona hatte!
Ich hatte mich immer als Geruchsmensch identifiziert, weshalb der Verlust meines Geruchsinns für mich ziemlich schlimm war. Plötzlich wurde mir bewusst, wie oft wir Dinge riechen, ohne es wirklich zu merken. Und wie überlebenswichtig der Geruchssinn eigentlich ist. Denn als ich nicht mehr riechen konnte, ob Lebensmittel noch essbar waren oder die Milch bereits säuerlich roch, fühlte ich mich plötzlich ziemlich hilflos. Ich liebte den Geruch von Max, doch als ich ihn nun umarmte, war da einfach nichts mehr. Hinzu kam eine Paranoia, dass ich stinken musste, weil ich mich selber nicht mehr riechen konnte und daher keine Ahnung hatte, ob meine Kleider (und ich) gewaschen werden mussten oder nicht. Max musste für diese Zeit herhalten und mich konstant beschwichtigen, dass ich gut roch und auch meine Kleidung noch nicht gewechselt werden musste.
Nach 2 Monaten kam der Geruchssinn langsam zurück. Als ich ungefähr bei 80% meines ursprünglichen Geruchssinns angelangt war, geschah etwas komisches. Ich wollte die Wohnung nach meiner Krankheit reinigen, und zündete dafür ein Räucherstäbchen an. Ich liess das Wohnzimmer ausräuchern, musste jedoch schnell merken, dass ich diesen Geruch kaum mehr ertrug. Schnell löschte ich das Stäbchen und warf es in einer dicht verschlossenen Plastiktüte in den Müll, damit ich es ja nie mehr riechen musste. Doch ich wurde den Geruch nicht mehr los. Er steckte überall, in meinen Haaren, in meinen Kleidern, in der gesamten Wohnung. Selbst Wochen später glaubte ich noch, ihn überall riechen zu können. Nach einiger Zeit entdeckte ich, dass die meisten meiner Parfüms, Shampoos und Duschgels für mich nun so ekelhaft beissend nach diesen Räucherstäbchen rochen, sodass ich alles weggeben musste. Seither kann ich nur noch geruchsneutrale Seifen, Deos und Shampoos benutzen. Wenn ich unterwegs bin, kommt es auch heute noch öfters vor, dass ich das Parfüm andere Menschen nicht mehr ertrage, und mir zum Beispiel im Tram einen anderen Sitzplatz suchen muss. Als ich langsam an meinem Verstand zu zweifeln begann, fing ich an, Nachforschungen im Internet anzustellen. Ich fand heraus, dass ich mit diesem Problem nicht alleine war, und dass viele im Zusammenhang mit Long Covid solch eine Riechstörung entwickelt hatten, die sich (postvirale) Parosmie nennt.
Was ist eine Parosmie?
Bei einer Parosmie nehmen Menschen Gerüche plötzlich anders wahr, als sie das bisher getan haben. Der Geruchsinn wird sozusagen verzerrt, da das Virus unsere olfaktorischen Neuronen, respektive die Zellen unserer Riechschleimhaut schädigt, welche die Verbindungsstelle zum Gehirn darstellen. Ein Geruch dringt in die Nase ein und wird von den Neuronen ans Gehirn weitergeleitet in Form chemischer Information, die dem Gehirn erklärt, wie der Geruch interpretiert werden soll. Die Schädigung dieser Riechzellen verändert also die Art und Weise, wie Gerüche das Gehirn erreichen. Womöglich liegt die Ursache von Fehlgerüchen aber nicht nur bei den von den Vren angegriffenen Riechzellen der Nasenschleimhaut, sondern auch im Gehirn selbst. Wir wissen bereits, dass die Viren auch ins Gehirn gelangen, wo sie die neurologische Verarbeitung der Riechimpulse stören können.
Doch was kann ich dagegen tun?
Glücklicherweise ist Parosmie in der Regel kein Dauerzustand. Die Riechzellen haben die Fähigkeit, sich im Laufe der Zeit zu erneuern. In bis zu 60% der infektionsbedingten Riechstörungen erholte sich der Geruchssinn nach einigen Jahren wieder. Im Durchschnitt dauert dies zwischen 1-3 Jahre. Wem dies zu lange dauert, kann mit einem Riechtraining versuchen, den Heilungsprozess zu unterstützen oder gar zu beschleunigen. Es gibt verschiedene unabhängige wissenschaftliche Studien, welche zeigen konnten, dass sich mit Hilfe des gezielten Riechtrainings die Erholung des Geruchsinns signifikant verschnellert.
Beim Riechtraining geht es nicht darum, den Geruch zu erkennen und zuzuordnen, sondern um das REINE WAHRNEHMEN: Wenn du bestimmte Duftstoffe nicht wahrnimmst, lass dich davon nicht abbringen, sondern übe geduldig weiter. Ziel des Trainings ist, neue Verschaltungen im Gehirn zu bilden, die im Alltag die Funktion der geschädigten Bahnen übernehmen.
Zum Riechtraining:
Verwende dazu 4 Duftstoffe, die zu 100% aus natürlichen ätherischen Ölen bestehen. Ich nutze:
Nelke
Zitrone
Eukalyptus
Rose
Rieche 2 mal am Tag (morgens und abends) während je 10-15 Sekunden konzentriert an jedem der 4 Düfte. Führe das Training mit den gleichen Gerüchen für mindestens 3 Monate durch. Danach kannst du die Düfte auch gegen 4 neue austauschen und weiter trainieren.
Du kannst auch andere ätherische Öle verwenden, wichtig ist, dass es 4 verschiedene sind. Wenn du keine solchen Öle hast, und dir auch keine kaufen willst, kannst du auch improvisieren, und zum Beispiel an starken Gewürzen riechen (Kaffee, Zimt, Ingwer, Pfeffer etc.). Dazu gibt es dann halt einfach keine Studien.
Update: Nach 4 Monaten intensivem Riechtraining kann ich endlich wieder „normal“ riechen!
Alle meine Parfüme, Shampoos, Deos etc., die für mich vor 4 Monaten noch unerträglich stanken, riechen wieder so, wie sie sollten! Ich bin ultrahappy über diese positive Entwicklung und kann das Riechtraining daher jedem wärmstens empfehlen!
Pingback: Aroma Massage – Leben mit Long Covid
Der Beitrag macht mir wieder Hoffnung!!!! Ich werde es auf jeden Fall befolgen. Ich möchte mein „stinkendes“ Leben sehr gern wieder in ein „normal“ duftendes verwandeln. Beim Geschmack habe ich ebenfalls große Probleme. Zwiebeln, andere Lauchgewächse, Paprika, gekochtes und gebratenes Ei…widerlich. Seit 4 Monaten!
Hallo Frau Thaus,
für eine Dokumentation für den br/ARD suche ich Menschen mit Parosmie, die das Riechtraining testen wollen und bereit sind, vor die Kamera zu treten. Wenn Sie Interesse haben, würde ich mich sehr über eine Nachricht unter kim@producersroom.de freuen!
Danke und alles Gute!
K. Rigauer